Bericht von der Fortbildung des Landesverbandes der Beratungslehrer NRW
8. und 9. März 2018 in Nümbrecht.
„Interkulturelle Herausforderungen und Kompetenzen in der schulischen Beratungsarbeit“
Nach einem dynamischen Kennenlernen, bei dem wir uns schon über so wichtige Themen wie Entlastung und Kooperation ausgetauscht haben, folgte ein längerer und sehr informativer Vortrag zum Thema „Identitätskonzept und Migration“. Hier machte Frau Prof. Dr. Farokkhzad deutlich, dass viele der Themen, die in der Jugendphase zentral sind - wie die Konstruktion einer Identität, das Experimentieren mit Rollen oder die Notwenigkeit, eine Ambiguitätstoleranz zu entwickeln -, natürlich für alle Jugendlichen bedeutsam sind. Dennoch beeinflussen Migrationserlebnisse – selbst erlebte oder erzählte – die Identitätskonstruktion. In diesem Zusammenhang ging Frau Farokkhzad auf die Bedeutung von Erfahrungen der Anerkennung und Ausgrenzung ein und zeigte mögliche Verarbeitungsformen auf.
Nach der Mittagspause wurden wir wieder „energetisiert“ - dieses Mal mit dem Spiel „Wie im richtigen Leben“. Dies zeigte spielerisch, wie sehr die biographischen Lebensumstände und die (eigenen und fremden) Zuschreibungen das soziale bzw. gesellschaftliche Fortkommen beeinflussen. Im Anschluss wurde der Vortrag vom Vormittag noch fortgesetzt und am Ende des sehr informativen und anschaulichen Vortrags stand eine Zusammenfassung möglicher Handlungsstrategien von jungen Menschen mit Migrationshintergrund.
Nach dem Vortrag haben wir uns dann in vier Gruppen zusammengefunden, um Fälle aus unserem Beratungsalltag, die im Zusammenhang mit interkulturellen Erfahrungen stehen, mit der Methode der kollegialen Fallberatung zu besprechen. So ging ein abwechslungsreicher erster Fortbildungstag zu Ende, der am Abend von der Jahreshauptversammlung des Verbandes abgerundet wurde.
Der nächste Tag begann mit einem Rückblick auf den vorherigen Tag und einem Vortrag von Frau Lazaridou, in dem sie insbesondere auf die Lebenssituationen von geflüchteten Menschen einging und über die Themen Migration, Flucht und Trauma referierte. Es wurde deutlich, dass es nicht DEN Islam oder DEN Muslim gibt ebenso wenig wie DEN Deutschen. In ihrem Vortrag sensibilisierte sie uns für die besondere Situation von geflüchteten Menschen und die Auswirkungen von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). In Beratungssituationen solle man im Blick haben, was Auslöser (Trigger) für angstauslösende Reaktionen sein können (auch im Zusammenhang mit der Einbeziehung außerschulischer Kooperationspartner). PTBS sei eine psychische Erkrankung, die bei Behandlung gute Heilungsaussichten habe, die man aber eben auch im Vorfeld als solche erkennen müsse. Zum Schluss gab uns Frau Lazaridou Tipps für konkrete Beratungssituationen - z.B. in Bezug auf die Haltung der Beratenden zu stark differenzierenden Wertesystemen.
Im Anschluss an diesen Vortag ging Frau Farokkhzad auf das Thema Kommunikation ein und wies auf mögliche Einschränkungen durch einseitige Empfangsgewohnheiten oder ein überempfindliches Beziehungsohr seitens der zu Beratenden hin. Auch wäre die von den Beratern oft als selbst verständlich vorausgesetzte Kenntnis über die Bedeutung verwendeter Begriffe oft ein Trugschluss und könne zu Irritationen führen. Sie wies auch auf die hohe Bedeutung nonverbaler Kommunikation hin - wie Körpersprache und Distanzzonen-, die kulturell unterschiedlich besetzt sein können und ebenfalls zu Irritationen im Gespräch führen können.
Der Tag schloss mit einer Sammlung möglicher Ansprechpartner und außerschulischer Kooperationspartner im Zusammenhang mit Migration und Integration und einem Zeitfenster, in dem wir uns mit Hilfe eines Ideenbogens überlegen konnten, Impulse aus der Fortbildung in konkrete Handlungsschritte umzusetzen.
Insgesamt waren die zwei Tage – sicher nicht nur für mich – wieder ein Gewinn. Zum einen durch die Auseinandersetzung mit diesem für die schulische Beratungsarbeit wichtigen Thema inclusive der Materialbox. Zum anderen ist der kollegiale Austausch und die Begegnung mit Beratungslehrer*innen aus den verschiedenen schulischen Kontexten eine große Bereicherung für die eigene Arbeit.
Und nicht zuletzt bestätigten die beiden sehr empfehlenswerten Moderatorinnen, die außergewöhnlich hohen Kompetenzen der Teilnehmer*innen.
gez. Kathrin Steffens